Vom Ende der Einsamkeit von Benedict Wells [Roman]

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Und nun saßen wir am Tisch wie drei Schauspieler, die nach langer Zeit wieder zusammentrafen und sich nicht mehr an den Text ihres berühmtesten Stücks erinnerten. S. 113

 

Inhaltsangabe

Jules und seine beiden Geschwister wachsen behütet auf, bis ihre Eltern bei einem Unfall ums Leben kommen. Als Erwachsene glauben sie, diesen Schicksalsschlag überwunden zu haben. Doch dann holt sie die Vergangenheit wieder ein.
Ein berührender Roman über das Überwinden von Verlust und Einsamkeit und über die Frage, was in einem Menschen unveränderlich ist. Und vor allem: eine große Liebesgeschichte.

 

Eigene Meinung

Zugegeben: Ich habe mich ein wenig vor diesem Buch gedrückt. Ob das die richtige Entscheidung war – oder ob ich mir nun doch wünsche, es früher gelesen zu haben – erfahrt ihr wie immer in dieser Rezension.

Der Einstieg fiel mir sehr leicht. Erzählt wird aus der Ich-Perspektive von Jules – dem jüngsten von drei Geschwistern –, dessen Welt bis zu einem bestimmten Ereignis nahezu perfekt war.
Benedict Wells bringt die Emotionen und Handlungen der Kinder, später Jugendlichen und schließlich Erwachsenen sehr authentisch rüber. Vom Ende der Einsamkeit zielt dabei nicht auf Spannung, sondern auf Trauerbewältigung – und vielleicht auch ein Stück weit auf die Frage: “Was wäre, wenn?”
Gleichzeitig geht es um Selbstverwirklichung, Erfahrungen, die man macht oder machen muss. Das Buch ist in neun Kapitel unterteilt und begleitet Jules durch den Großteil seines Lebens.

Dabei kommt es an manchen Stellen zu kleinen Längen. Manchmal hatte ich das Gefühl, nicht recht voranzukommen – weil sich auch Jules gerne verliert: in Gedanken, in Beziehungen, in seiner Trauer, in Erinnerungen.
Immer wieder im Zentrum stehen auch seine Schwester Liz und sein Bruder Marty. Die Geschwisterdynamik empfand ich dabei teilweise als befremdlich und schwierig.
Liz ist oft das schwarze Schaf, Marty eher der große Unbekannte – und Jules? Jules hängt irgendwie dazwischen.
Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir das sogenannte „Nullsummenspiel“, das von der Figur Alva erwähnt wird. Die Idee, dass man das Hoffen irgendwann leid ist, weil die eigene Vergangenheit so viele negative Erfahrungen bereithielt, hat mich stark berührt.

Jules, der Protagonist, ist zugleich Erzähler – und damit das emotionale Zentrum dieses Buches.
Ich begleite ihn vom Kind bis ins Erwachsenenalter. Werde Zeugin seiner Schicksalsschläge, inneren Konflikte, Entscheidungen.
Er wirkte auf mich stets unruhig – ein Mensch, der nie ganz zur Ruhe kommt und sich sofort wieder eine neue Aufgabe sucht, wenn doch.

Seine Geschwister bleiben dagegen weniger tief beleuchtet. Zwar erfährt man einiges über Liz und Marty, doch vor allem Jules scheint im Zentrum aller Ereignisse zu stehen. Seine Kritik an den beiden fällt dabei mal laut, mal still aus.
Manchmal hatte ich das Gefühl, als sei er in Gedanken der Einzige, der wirklich „leidet“, während seine Geschwister wohl besser durchs Leben kommen – was nicht der Fall war. 
Vor allem gegenüber Liz wird viel Kritik laut – dabei habe ich sie persönlich fast besser verstanden als ihre Brüder.

 

Mein abschließendes Fazit

Ich verstehe, warum dieses Buch so viele Leser begeistert hat – und doch konnte es mich nicht auf ganzer Linie überzeugen.
Es gab viele berührende, ehrliche und tiefgründige Momente. Die Geschichte ist stellenweise hart, aber dadurch auch sehr menschlich.
Gleichzeitig hatte ich mit den Wiederholungen und den vielen emotionalen Stillständen zu kämpfen.

Jules als Erzähler trägt das Buch – und obwohl ich ihn in seiner Zerrissenheit gut nachvollziehen konnte, fehlte mir manchmal die Balance im Blick auf seine Geschwister.
Jeder von ihnen kämpft mit eigenen Dämonen – doch Liz und Marty werden oft kritisiert, während Jules noch vergleichsweise gut wegkommt.

Ein emotionales, nachdenkliches Buch über Trauer, Einsamkeit und das Erwachsenwerden. Stark geschrieben – aber mit Luft nach oben in der erzählerischen Dynamik.

Das Leben ist kein Nullsummenspiel. es schuldet einem nichts, und die Dinge passieren, wie sie passieren. Manchmal gerecht, so dass alles einen Sinn ergibt, manchmal so ungerecht, dass man an allem zweifelt. Ich zog dem Schicksal die Maske vom Gesicht und fand darunter nur den Zufall. S. 299

 

Von mir bekommt "Vom Ende der Einsamkeit" von Benedict Wells 

3/5 Sternen!

 

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vom_ende_der_einsamkeit_benedict_wells Bildquelle: Diogenes
Buchdetails
Name: Vom Ende der Einsamkeit
Autor: Benedict Wells
Seiten: 368
Verlag: Diogenes
Erschienen: 26.09.2018
Kostenpunkt: 14€
Hier zu kaufen: Vom Ende der Einsamkeit
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Kostenpunkt (Hörbuch / eBook): 10,99€
Genre: Roman
Kategorie: Allgemein, Rezension Kommentare: 1
Eine Antwort auf „Vom Ende der Einsamkeit von Benedict Wells [Roman]“
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