Warum ich lese, was ich lese

Blogg_beitrag_lesen_lieben

Ich habe schon oft gehört, dass Menschen ungern lesen – oder wenn sie es doch tun, dann nur, um etwas zu lernen oder zu verstehen.

Die Ursache liegt meist irgendwo in der Schulzeit begraben: Gedichte auswendig lernen, Textanalysen bis zur Schmerzgrenze. Ihr kennt das.
Viele haben das Gefühl, wenn sie beim Lesen so viel Zeit investieren, dann muss es sich lohnen. Es muss einen Nutzen haben. Sonst – vergeudete Zeit.

Na, meine buchigen Freunde – habt ihr da gerade auch Gänsehaut bekommen? Lesen und vergeudete Zeit? o.O

Nein, Spaß beiseite. Ich verstehe diesen Gedanken. Wirklich.
Gerade in unserer schnelllebigen Welt ist Zeit ein knappes Gut. Und ein Buch zu beenden, bedeutet (mehr oder weniger freiwillig), Stunden, Tage oder Monate zu investieren.

Aber genau das war mein Wendepunkt: Ich habe gemerkt, dass ich größtenteils selbst über meine Zeit bestimmen kann – und wie ich sie verbringen will.

Für mich ist Lesen längst mehr als ein Hobby geworden. Es war – und ist – oft ein rettender Anker. Etwas Beständiges. Etwas, das mich hält, wenn alles andere wankt.

„Nicht nur Unterhaltung – Geschichten als Resonanzraum“

Es gibt Bücher, die haben mich auf eine Art berührt, die schmerzhaft und zuckersüß zugleich war. Und das gilt auch für die Genres.

Klar, eine fantastische, detailverliebte Fantasy-Welt kann mich beeindrucken – aber wenn ich mit dem Protagonisten nicht warm werde, hilft auch das beste Worldbuilding nichts.

Ich liebe Charaktere, die – auf gut Deutsch – durch die Scheiße gegangen sind. Die nicht perfekt sind. Die scheitern, fallen und wieder aufstehen. Vielleicht, weil ich mich ihnen näher fühle. Vielleicht, weil ich selbst oft lieber in gebrochenen Figuren lese als in glattpolierten.

Es darf aber nicht zu kitschig werden – aber wenn die richtigen Worte fallen, dann darf’s gern auch wehtun. (Brittainy C. Cherry, ich schau in deine Richtung 👀).

Düstere Märchen-Retellings haben es mir besonders angetan. Wenn aus süßen Kindergeschichten düstere Horrorstorys werden, wenn die heile Welt zerbricht – ja, bitte! Weg vom Perfekten, hin zum Kaputten. Oder wieder zurück, je nachdem.

Stella Tack hat das in „Ever & After“ brutal, düster und gleichzeitig verdammt witzig verpackt. Märchen, die alles andere als harmlos sind – danke, Gebrüder Grimm.
Emily McIntire geht’s in der Dark Romance noch eine Schippe härter an – zum Beispiel mit ihrem Peter Pan-Retelling. FSK 18 – wenn der Böse die Prinzessin bekommt. 😉

Und wenn mir ein Autor zusätzlich noch erlaubt, direkt im Kopf der Figur zu stecken – Ich-Perspektive, gern mit Sarkasmus – dann hat er mich.

Gib mir das kaputte Herz, zeig mir, warum der Arschloch-Charakter so ist, wie er ist – und ja, lieber Autor: Du darfst mir das Herz brechen. Gern sogar.

Trauma, Trost & Tabuthemen

Ich hatte mir Die letzten Tage von Rabbit Hayes gekauft – ich wusste durch den Klappentext, worum es geht. Doch nachdem meine Mama gestorben war, konnte ich das Buch lange Zeit nicht anfassen. Zu groß war die Angst vor dem Schmerz, der durch einzelne Sätze zurückkehren könnte.

Irgendwann habe ich es doch gelesen. Und es hat mich tief getröstet.

Ich habe geweint – wie ein kleines Kind beim Zahnen – aber genau das hat mir gutgetan. Dieses Buch hat ein Ventil geöffnet, das ich gebraucht habe. Es hat mir geholfen, etwas loszulassen, was lange festgesteckt hatte.

Und das bringt mich zu einem Thema, über das ich oft nachdenke: Triggerwarnungen.

Ich finde sie großartig. Klar, sie spoilern nicht (jedenfalls nicht, wenn sie wie meist nur stichpunktartig aufgeführt sind), und sie schützen Leser vor Erfahrungen, die retraumatisierend sein könnten. Für mich sind Triggerwarnungen ein Zeichen von Respekt.

Ich persönlich kann vieles lesen – aber nicht, wenn Tiere verletzt oder getötet werden. Das ist mein absolutes No-Go. Auch deswegen erwähne ich Trigger in meinen Rezensionen. Denn kein Buch der Welt ist es wert, dass man seine psychische Stabilität dafür aufs Spiel setzt – ganz egal, wie viral es auf Booktok oder Bookstagram geht.

Natürlich gibt es auch Autoren, deren Stil einfach nicht zu mir passt. Stephen King zum Beispiel: großartiger Autor, aber seine detaillierte, ausschweifende Art lässt mich schnell aussteigen. Gleiches gilt für Fitzek, Slaughter, Hoover oder Sarah J. Maas – das meiste ist einfach nicht mein Ding. Und das ist okay.

Ich glaube, Lesen darf ganz subjektiv sein. Und manchmal kann ein Buch, das für andere nur „nett“ ist, für dich genau zur richtigen Zeit kommen und etwas heilsam in dir bewegen.

„Ästhetik & Stimmung – warum Genre für mich zweitrangig ist“

Tatsächlich lese ich meistens genau das, worauf ich gerade Lust habe – natürlich immer mit einem vorsichtigen Blick auf meinen SuB (Stapel ungelesener Bücher). Ich bin total der Mood-Leser. Wenn ich traurig bin, greife ich zu Büchern, bei denen ich weiß, dass ich weinen werde (Hallo nochmal, Brittainy C. Cherry). Wenn ich Bock auf Bad-Ass-Charaktere habe, geht’s für mich mittlerweile unheimlich gern in die Dark-Romance-Ecke. Und wenn mir die Welt und die Menschen draußen zu viel werden, darf es gerne eine gute Dystopie oder eine fantastische Welt sein. Je nachdem, wie angespannt ich bin, tut es natürlich auch ein spannender Thriller. Wenn ein Buch genau zu meiner Stimmung passt, kann ich mich viel besser darauf einlassen. Und wenn grad kein Buch da ist… naja, ihr wisst sicher, wie so ein SuB entsteht. 😀

So suche ich mir meine Bücher meistens aus – und gleichzeitig sortiere ich auch schnell wieder aus. Wenn ich merke, dass mich die Stimmung zwar anspricht, ich mit der Geschichte aber nichts anfangen kann, dann wandert das Buch auf die Ausmisten-Liste. Und wenn ich ein Buch gelesen habe und eigentlich weiß, dass ich es nie wieder anfassen werde, darf es weiterziehen. Der Gedanke, dass ich nur begrenzt Zeit habe und niemals alles lesen kann, ist mir dabei einfach zu bewusst.

Abgesehen von der Stimmung reicht manchmal auch der berühmte erste Satz. Wie oft habe ich mich beim Probekapitellesen dabei erwischt, einfach mal die Hälfte des Buches wegzusuchten. „Shatter Me“ von Tahereh Mafi war so ein Fall. Oder mein aktuelles Buch „If We Were Gods“. Es kann ein kurzer, knackiger Satz sein, der mich sofort einlädt, komplett einzutauchen – etwas Prägnantes, etwas Spannendes.

Klar, am Anfang der Farbschnitt-Welle habe ich mich auch dabei erwischt, unbedingt alle Farbschnitte sammeln zu wollen. Bis ich dann gemerkt habe, dass ein schönes Buchcover oder ein cooler Farbschnitt nicht automatisch heißt, dass das Buch auch thematisch zu mir passt. Das hat etwas gedauert, ehrlich gesagt. Ich sehe das heute als Lehrgeld. Was ich hier und da trotzdem noch zahlen muss…

„Persönliche Entwicklung & Selbstreflexion – wie Bücher mich formen“

Menschen kaufen Bücher, um in neue Welten einzutauchen oder ihre Skills zu verbessern. Manche greifen auch zu Geschichten, um sich selbst ein Stück besser zu verstehen – oder die Welt, die Gesellschaft, einzelne Themen. Und gerade in Zeiten von Netflix, Prime & Co. finde ich es spannend zu beobachten, wie sich der Buchmarkt dennoch (oder gerade deshalb?) weiterentwickelt.

Dass Lesen den Wortschatz erweitert, die kognitiven Fähigkeiten stärkt und sogar Stress reduzieren kann – klar, das sind Fakten. Aber ganz ehrlich: Wie genau reduziert eine Story meinen Stress, wenn am Ende ein geliebter Charakter stirbt? (Ich frage für mein tränenüberströmtes Ich mit Buch in der Hand.)

Was ich beim Lesen aber ganz sicher gelernt habe: eine Menge über mich selbst. Und das nicht nur in Sachbüchern.
Oft ist es dieser eine nervige Charakter, der mich beim Lesen einfach nicht loslässt – bis mir irgendwann dämmert, warum er mich so nervt: Weil er eine Macke hat, die ich selbst mit mir herumschleppe. Oder ich frage mich, warum mich eine bestimmte Szene so mitnimmt – und merke: Weil ich das selbst schon mal erlebt habe.
Andersherum hilft mir Lesen aber auch zu erkennen, wie ich nicht sein möchte. Welche Dynamiken, Menschen oder Charaktertypen ich aus meinem Umfeld bewusst rauslassen will. Denn ja: Manche Figuren sind für mich eindeutig die Bösen – aber wer weiß, in wessen Geschichte ich vielleicht die Böse bin?

Ich liebe es, zu meinem Textmarker und den Sticky Notes zu greifen. Fünf oder sechs Farben, jede steht für eine bestimmte Emotion, Szene oder Erkenntnis. Wenn ich mich selbst in einem Satz wiederfinde, wenn ich merke, das bin ich – oder das war ich mal – dann muss da einfach ein Marker drüber. Und ich liebe es, in Büchern zurückzublättern, Lieblingssätze immer wieder zu lesen, nachzuschmecken, nachzuspüren.
Und selbst Bücher, die ich nicht mochte, haben mir etwas beigebracht. Sie haben mir geholfen, meinen Geschmack zu formen – mir gezeigt, was ich mag, was ich nicht brauche, wo meine Grenzen liegen.

Mit der Zeit hat sich so nicht nur mein Buchgeschmack verändert – sondern auch meine Art zu denken und zu fühlen. Geschichten berühren mich, fordern mich heraus, halten mir den Spiegel vor. Manche haben mich getröstet, andere haben mich an emotionale Grenzen gebracht. Aber alle – auch die kleinen, leisen – haben mich irgendwie ein Stück geformt.

„Lesen als Lebensbegleiter & Rückzugsort – mein Anker in stürmischen Zeiten“

Wenn mir die Welt mal wieder auf den Kopf fällt und droht, mich zu erschlagen, greife ich zu einem Buch. Nein, das heißt nicht, dass ich keine sozialen Beziehungen hätte. Im Gegenteil: Ich habe einen kleinen, handverlesenen Kreis von Menschen, die mir Kraft schenken, ohne sie mir zu rauben – für jede einzelne Person bin ich dankbar.

Trotzdem löse ich vieles gern erst mit mir selbst. Und dabei hilft mir der Sprung in eine Geschichte, in meine ganz eigene kleine Parallelwelt.

Ich glaube, jeder braucht mehrere Ankerpunkte im Leben – Orte oder Menschen, die einen auffangen. Für mich gehört dieser Blog dazu. Auch wenn ihn vielleicht nur eine Handvoll Leute liest: Hier kann ich meine Gedanken greifen, in Worte fassen, rauslassen. Draußen, im echten Leben, höre ich oft mehr zu als dass ich rede. Hier darf ich die gesammelten Worte endlich laut werden lassen – und das befreit.

Kurz gesagt: Lesen ist für mich weit mehr als nur ein Hobby. Es ist ein Stück Verlässlichkeit, das mir Sicherheit gibt. Zwischen den Seiten kann ich die Zeit anhalten, vor‑ und zurückspulen – ganz wie ich es brauche.

Schlusswort

Ich saß nun zwei Tage an diesem Beitrag. Ich habe viel darüber nachgedacht – und bereue keine Minute davon.
Bitte denkt daran: Das hier sind meine Erfahrungen und Gedanken. Ich weiß, dass jeder das Lesen anders erlebt, und ich respektiere es absolut, wenn ihr andere Meinungen oder Gefühle dazu habt.

Manchmal tut es einfach gut, etwas aufzuschreiben, das schon lange im Kopf herumspukt.
Und vielleicht – nur vielleicht – entstehen genau so die schönsten Geschichten. – Ich

 

 

 

 

 

 

 

Kategorie: Allgemein, Gedankengänge Kommentare: 0